Ich bin online (FreeStyle-Story, Teil 3)

Nerd-Faktor

Mensch, bin ich froh, dass dieses Diabetes-Ding so einen hohen Nerd-Faktor hat. Da eröffnen sich Welten, ach was sag ich, ganze Galaxien von Projekten für Jemanden, der mal „irgendwas mit Computern“ studiert hat. Schließlich geht’s vor allem um Zahlen. Zahlen, die geschätzt, umgerechnet und optimiert werden wollen, damit man sie uns nicht in Form von grün-gelb-roten Graphen um die Ohren haut.

Also, meine liebe Dia-Dörte, setz schon mal Deine Hornbrille auf, es wartet Arbeit auf uns.

Hier unser persönlicher Dia-nerd-betes-Werdegang:

Nerd-Level 1: Digital statt Analog

Nur durch den anfänglichen Schockzustand und meine überaus fortschrittliche Dia-Praxis kann ich es überhaupt erklären, dass ich ganze 1-2 Tage in der analogen Welt ausgehalten habe. Zahlen auf Papier schreiben… wo gibt’s denn sowas noch?

Level 1 hieß also, Stift durch Daumen, Papier durch Handy zu ersetzen. Ein paar Wochen später haben die Blutzuckermessgeräte von Accu-Check (Connect und Guide) auch das noch vereinfacht. Bluetooth sei dank, schweben die Messergebnisse nun wie von Zauberhand in die App.

Nerd-Level 2: Scannen statt Stechen

Nach dem schmerzhaften Blutzuckermessen hat mit dem FreeStyle Libre Nerd-Level 2 Einzug gehalten. Handy über den Sensor bewegen *brumm-brumm* und schon ist der aktuelle Wert ausgelesen. Und nicht nur er, auch seine Brüder aus den letzten acht Stunden. Entschuldigung. Und die Schwestern. Also alle Werte (und Wertinnen), schön säuberlich im 15-minütigen Abstand aufgereiht.

Das ist schon ziemlich cool!

In einigen Situationen jedoch scheint der Sensor bedauerlicherweise nicht ganz wie gewünscht zu arbeiten. Gerade bei niedrigen Werten messe ich nochmal blutig nach und da ist der richtige Blutzuckerwert oft harmloser. Hinzu kommen die Ausfälle aller (zwei) Sensoren, die ich am linken Arm getragen habe, immer nach der 2. Nacht, immer in Kombination mit seltsamen und für mich inzwischen unglaubwürdigen Unterzuckerungskurven.

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Doppelte Unterzuckerung? Nee….

Vermutlich ist meine setliche Kopf-auf-Kissen-auf-Arm-auf-Sensor-auf-Matratze-Liegeposition FreeStyle-inkompatibel, auch wenn der freundliche Hotline-Mitarbeiter meinte, es gäbe noch andere Seitenschläfer auf der Welt. Ok, vorstellbar. Eine bessere Erklärung hatte er aber auch nicht.

Nerd-Level 3: Der ganz persönliche Internetanschluss

Seit einigen Tagen bin ich auf der Nerd-Skala noch einen Schritt weiter. Mit Hilfe einer Sony Smartwatch 3, einer großartigen Anleitung und einiger Open-Source-Projekte (Libre Alarm, xDrip+, Nightscout) wird der Sensor nun kontinuierlich ausgelesen. Alle 10 Minuten gelangen die Werte aufs Handy und von dort in die weite Welt eine eigene Dia-Dörte-Cloud. Besonders hilfreich ist die Alarmfunktion, die sowohl das Handy als auch die Uhr brummen lässt, wenn die Werte mal zu hoch oder zu niedrig sind.

(Genauer gesagt sind es Drölwzig Tausend Möglichkeiten, sich warnen zu lassen, oder eben nicht, unter Berücksichtigung von gegenläufigen Trends, Fehlmessungen, Verbindungsfehlern und vermutlich auch Mondstand und Aufenthaltsort von Angela Merkel; ich habe immer noch nicht alle Einstellungen verstanden).

Ein wenig Zeit sollte man mitbringen und die Erfahrungen beim Rooten von Android Handys sind ganz hilfreich — damit ist es ein Bastelprojekt ganz nach meinem Geschmack.

Der Nerd in mir fühlt sich ein bisschen wie in einer Star Trek Folge. Sozusagen ein Vorvorgänger von Data oder Seven of Nine, nur ohne positronisches Gehirn und bei weitem nicht so hübsch. Aber man kann tatsächlich sagen, dass ich über den Sensor nun mit dem Internet verbunden bin. Read-only, zum Glück. Vorerst.

Mein Körper ist also online.
D-Online,  quasi.
IoMe statt IoT.  

Ist das nicht abgefahren?!

Was kommt als nächstes?

Nerd-Level X: Her mit den Implantaten!

So ein Chip mit Unterhautsensor ist eigentlich nur die konsequente Fortsetzung der „smarten“ Uhren mit Herzfrequenzanzeige, Waagen mit WLAN, Cloud-Blutdruckmessern und was es noch so alles in „smart“ gibt — die Haarbürste mit integriertem Bluetooth ist im Moment mein Highlight der Absurdität.

Aber abgesehen davon würde ich den Trend (auch ganz persönlich) zusammenfassen mit:

Her mit den Gesundheitsimplantaten!

Die Menschheit ist bereit dafür. Blutzucker. Blutdruck. Cholesterin. Das kleine Blutbild zum Scannen per NFC, übertragen nach Apple Health und Google Fit, umgewandelt in leicht verständliche Grafiken, kombiniert mit einer „Gesundheitsvorhersage“, vorgelesen von Alexa:

„Guten Morgen René! In Deiner Familie zieht ein kleines Erkältungstief auf. Bei Deinen Kindern kommt es in den nächsten Tagen zu einem erhöhten Pseudo-Krupp-Risiko und es ist mit leichtem Fieber zu rechnen. Deine Frau zeigt bereits erste Symptome und hat schlecht geschlafen.
Pass auf Dich auf und gute Besserung!“

Natürlich wird es neue Skandale um geklaute Daten geben. Irgendwann werden nicht mehr Nacktbilder von Promis, sondern deren Gesundheitswerte in irgendwelchen zwielichtigen Foren veröffentlicht. Drogenkonsum und Entzug, sportliche Betätigungen und Sex werden einfach abzulesen sein. Und wenn man das noch weiterspinnt, sind wir Normalos irgendwann natürlich auch betroffen, sobald Krankenkasse, Sozialämter und Rentenversicherung angebunden werden. Bestimmte Leistungen erhält man dann nur noch bei angemessener Lebensweise.

„René, hier ist Alexa. Ich möchte Dich im Auftrag der Gesundheitsministerin informieren, dass das nächste Bier zu einem erhöhten Herzinfarktrisiko führen würde. Denk bitte an Deine Verantwortung gegenüber Deiner Familie und der Gesellschaft und verzichte im Interesse aller. Andernfalls werden Deine Beiträge um 0,27% erhöht. Danke für Dein Verständnis!

Dies war ein kostenloser Service Deiner Bundesregierung.“

Autsch!

Trotz aller der Missbrauchsgefahr muss ich gestehen, dass ich solche Möglichkeiten extrem verlockend finde. Ich bin schon sehr gespannt, was uns nach dem FreeStyle als nächstes erwartet.

In diesem Sinne: Dörte, die nächsten Nerd-Level warten auf uns….

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